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Lantsch/Lenz, den 8. Mai 2023

Liebe Leute

Es ist die Zeit gekommen Entscheidungen zu treffen, etwas Neues zu wagen. Meine Zeit als Biathlet kommt zu ihrem Ende. Die vergangene Saison wird meine letzte gewesen sein.
Ich hatte das riesige Privileg, mich während dieser erstmalig auf höchster Ebene mit den weltbesten Biathleten messen zu dürfen, wenn auch nur für einige Wettkämpfe. Ich bin unglaublich dankbar für alle Erlebnisse, die ich in der vergangenen Saison und in allen davor gekommenen Jahren des Spitzensports erfahren durfte.

In meiner Zeit als Spitzensportler durfte ich viele extrem schöne Momente erleben. Die unglaublichen Höhen; die Glücksgefühle; der Moment, wenn es einfach funktioniert und man sich unbezwingbar fühlt; wenn man von einem Podium lachen kann und mit dem geleisteten zufrieden sein kann. Auch die Emotionen einer zerschmetternden Niederlage und das Verzweifeln, wenn die gesetzten Ziele und Träume nicht erreicht wurden, gehören dazu und sind einzigartig und irgendwo schön mit ein wenig Distanz betrachtet. Vor allem aber durfte ich sehr viele wunderbare Menschen kennenlernen und mit ihnen diese Emotionen teilen. Ich hatte das Privileg mit ihnen meine Jugend und mein junges Erwachsenenalter zu verbringen und gemeinsam durch die Welt zu reisen. Diese Freundschaften, die Gespräche nachts über alles mögliche, wenn man schon seit vierzehn Tagen das Zimmer teilt, die tröstenden Umarmungen, die gemeinsamen Jubel, sind was bleibt am Ende. So viel Zeit mit den besten Freuden zu verbringen, ist extrem schön.

Der Leistungssport gibt viel, er nimmt aber auch. Um dies zu auszuhalten, muss man ihn mit vollster Überzeugung betreiben.

Ich weiss schon lange, dass der Sport nicht das Einzige ist, was meinen Lebensinhalt definieren soll. Nach meiner sportlichen Laufbahn war es immer mein Ziel ein Studium zu beginnen und neben der sehr schönen, doch auch sehr eingegrenzten Welt des Sports, die nur einen sehr kleinen Teil der Realität abbildet, mehr von unserer Welt zu sehen. Dieses nach hinten verschieben des Lebens nach dem Sport ging für einige Jahre gut. Ich bin jetzt aber an einen Punkt gelangt, an dem ich das nicht mehr kann; das Leben danach nicht mehr auf später vertrösten kann für den Sport. Mir ist die innere Motivation, das innere Feuer abhandengekommen. Die äusserlichen Voraussetzungen, die so gut wären wie nie zuvor, können das leider nicht kompensieren.

Ein anderer Aspekt, der zum leisen Erlöschen dieses Feuers beiträgt, ist der weitere Fortschritt der Klimakatastrophe. Als Wintersportler habe ich deren Auswirkungen sehr direkt am eigenen Leibe erfahren. Wir merken buchstäblich wie der Schnee, der die Grundlage unserer Sportart ist, vor uns wegschmilzt. Bereits jetzt bietet dies Herausforderungen für den Trainings- und Wettkampfbetrieb. Diese Probleme werden sehr klein, wenn man sie gegen die Auswirkungen der Erwärmung im globalen Süden aufwiegt, wo bereits jetzt viel konkreter Existenzen und Leben auf dem Spiel stehen. Die Ohnmacht mit der man dieser Krise begegnen muss, während man selber gezwungenermassen auf sehr grossem Fusse lebt, habe ich nicht mehr länger mit mir vereinbaren können. Leider passiert auf institutioneller Ebene viel zu wenig zur Bekämpfung dieser erdrückenden Krise. Der Spitzensport kann natürlich einen Platz haben in einer besseren, nachhaltigeren Welt. Wie alle anderen Bereiche muss aber auch er sich überdenken, Mut beweisen, Dinge neu machen.

Mit all diesen Gedanken mich umgebend bin ich zum Schluss gekommen, dass ich nicht weiter die Energie und den Willen aufbringen kann, den es für das Training dieser komplexen Sportart braucht. Ohne Überzeugung dies halbherzig zu machen wäre gegenüber niemand fair, weder meinem Team, das zusammen für etwas arbeitet, noch allen, die mich unterstützen und zuletzt auch nicht mir selber.

Deshalb habe ich diesen Entscheid schweren Herzens und doch mit voller Überzeugung treffen dürfen. Ich freue mich jetzt sehr auf das, was kommt und was das Leben bringt.

 

Die Erfahrungen, die ich machen durfte, die Orte die ich erkunden durfte und vor allem all die Begegnungen mit euch, die ich unterwegs kennenlernen durfte, werde ich in sehr guter Erinnerung behalten und werden mich weiter prägen als Mensch. Ich werde dem Biathlonsport und der Biathlonfamilie sehr verbunden bleiben und freue mich mit meinem ehemaligen Team auf das, was für sie ansteht.

 

Der Leistungssport hat lange mein Leben definiert und alle meine grossen und kleineren Lebensentscheidungen geprägt. Es ist schön, nun anderen Dingen den Vorrang geben zu dürfen. Im Herbst werde ich nach Zürich ziehen und mit einem Studium beginnen.

Es bleibt, mich von tiefsten Herzen zu bedanken bei

meinen Eltern, die mich zu diesem Sport gebracht haben, mich vor allem aber bei allem, was ich getan haben unterstützt haben und die es weiterhin werden,
meinen Teamkolleg:innen, die zu Freund:innen geworden sind, mit denen ich die Höhen und Tiefen, die schönen und die weniger schönen Seiten des Sports erlebt habe und ich viele Wochen des Jahres das Zimmer, das Glück, die Sorgen und fast das ganze Leben geteilt habe,

meinen Trainer:innen und Betreuer:innen, die mich mit mir zusammen zum besten Biathleten machen wollten, der ich zu sein vermochte,
allen Unterstützer:innen, die mir diese Zeit und die Verfolgung meiner Träume überhaupt erst ermöglicht haben,

allen Leuten aus verschiedensten Lebensrealitäten und Orten, die für diesen schönen Sport zusammengekommen sind und mit denen ich ihn gemeinsam zelebrieren durfte,

allen Freund:innen, die mich inspirieren, zuhören und für mich da sind.

Wir werden uns wiedersehen


Laurin

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